Carte Blanche 

Qualifikationsverfahren trotz Corona - oder gerade deshalb wichtig.

Autorin: Gisela Bass, Chefexpertin

Seit 2003 begleite ich als Chefexpertin die Kandidat*innen, Berufsbildner*innen und Expert*innen durch das Qualifikationsverfahren. In den ersten fünf Jahren, also bis 2008 wurden Sozialagog*innen (Ausbildung Soziale Lehre) geprüft, seit 2008 sind es die Fachfrauen/-männer Betreuung, die FaBes. Als ich damals das Mandat der Chefexpertin angenommen habe, konnte ich mir nicht vorstellen, welche Herausforderungen auf mich zukommen werden. «Lebenslanges Lernen» hat für mich bis heute eine neue Bedeutung bekommen.

Das Qualifikationsverfahren läuft alle Jahre nach nationalen und kantonalen Vorgaben und in einem definierten Zeitfenster ab und ist für alle Berufe identisch. Es ist eine Konstante, welche uns Sicherheit und Orientierung gibt. Zu Beginn des Prüfungsjahres steht die Organisation und Planung des gesamten Qualifikationsverfahren im Vordergrund, anschliessend die Durchführung und der Abschluss.

Während des gesamten Prozesses stehe ich als Chefexpertin mit den Kandidat*innen, den Berufsbildner*innen und Expert*innen in Kontakt, biete Unterstützung, Beratung und Hilfestellung. In den Monaten Februar und März ist die Unsicherheit bei den Beteiligten am Grössten. Die Berufsbildner*innen stehen mehrheitlich vor der neuen, spannenden Herausforderung, zum ersten Mal eine praktische Prüfung zu begleiten. Die Kandidat*innen stehen vor einer Situation, welche ihren weiteren Berufsweg beeinflusst. Das löst Fragen und das Bedürfnis nach Bestätigung aus, auf dem «richtigen» Weg zu sein. Für alle ist es zentral, Antworten auf ihre Anliegen zu erhalten. Dies bedeutet, dass ich viele Fragen per mail oder telefonisch beantworte. Von grösster Bedeutung ist es, dass das Qualifikationsverfahren transparent, regelkonform und gleichwertig absolviert werden kann.

Im März 2020 standen wir alle vor einer völlig neuen, unbekannten Situation. Corona war plötzlich und unerwartet auch für das Qualifikationsverfahren ein Thema. Was bedeutet die Pandemie für das Abschlussverfahren, wie geht es weiter? Die ganze Planung und Organisation wurden auf «den Kopf» gestellt. Nichts war mehr «normal».

Ich war sehr dankbar dafür, dass relativ schnell für Klarheit gesorgt wurde. Das Qualifikationsverfahren konnte auf nationaler Ebene der aktuellen Situation angepasst werden. Dabei stand immer im Zentrum, dass der Abschluss 2020 vergleichbar und gleichwertig ist. Dies ist mit der Beurteilung der Arbeitsmarktfähigkeit durch die Berufsbilder*innen sehr gut gelungen. Sie haben ihre Verantwortung, auch gegenüber den anderen Betrieben, seriös und kompetent wahrgenommen. Die Berufsbildner*innen waren sich bewusst, wie wichtig es gerade in dieser Situation ist, auf die Qualität Wert zu legen. Ich bin deshalb überzeugt, dass der Abschluss 2020 absolut vergleichbar mit den vorhergehenden Abschlussverfahren ist. Es ist kein «geschenktes» EFZ.

Nun steht das Prüfungsjahr 2021 vor der Tür, die Pandemie hat uns auch fast ein Jahr später noch im Griff. Wieder benötigt es einen Entscheid für die Durchführung der IPAs in den Betrieben. Ein Entscheid, der niemanden leichtgefallen ist. Was ist machbar für alle Kandidat*innen, was ist vertretbar gegenüber unseren betreuten Menschen? Der Kanton Zürich hat am 13.2.2021 entschieden, dass definitiv ein angepasstes Qualifikationsverfahren im Bereich der praktischen Arbeit zur Anwendung kommt. Meiner Meinung nach ist dies in der jetzigen Situation ein guter Entscheid. Es gibt den Betrieben und Kandidat*innen Orientierung und Planungssicherheit. Die Verantwortlichen in den Betrieben werden die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Lernenden beurteilen. Und genau um diese Arbeitsmarktfähigkeit geht es, und wer kann diese besser beurteilen als die Berufsbildner*innen, welche gemeinsam mit den Lernenden unterwegs sind.

Nehmen wir zusammen die Situation an, bleiben wir flexibel und vertrauen darauf, dass wir in absehbarer Zeit wieder in die «Normalität» zurückkehren können. Ich wünsche den Kandidat*innen viel Erfolg und Freude auf ihrem Berufsweg, den Betrieben möchte ich dafür danken, dass sie sich für die wichtige Ausbildung der FaBes engagieren und diese professionell begleiten.

Herzliche Grüsse und bleiben Sie gesund.

Gisela Bass
Chefexpertin

 


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