Carte Blanche 6

Psychologen für ökonomische Entscheide?

Ab 2020 führt die OdA Sozialberufe Zürich ein neues Lohnsystem ein. Bei der Entwicklung dieses Systems haben unter anderem Arbeitspsycholog*innen des iafob* mitgewirkt. Im folgenden Beitrag gibt Cédric Lüthi, Student im Master Arbeitspsychologie und Praktikant beim iafob, Einblick in die Tätigkeiten und Herausforderungen von Arbeitspsycholog*innen.


Wer sich vor einigen Jahrzehnten einer neuen Bekanntschaft als praktizierende*r Psycholog*in vorgestellt hatte, musste unter Umständen davon ausgehen, in einer seelenklempnerartigen oder freudschen Schublade eingeordnet zu werden. Eine Personengattung also, die sich um das Unbewusste der Menschen kümmert. Etwas, das nur schwer nachvollziehbar und noch schwerer greifbar erschien und deshalb Skepsis hervorrief.

Kürzlich hatte die OdA Sozialberufe Zürich ihr neues Lohnsystem erfolgreich ihren Mitarbeitenden präsentiert. Die Einführung dieses neuen Lohnsystems wurde durch das Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob) begleitet. Hinter diesem langen Namen verbirgt sich ein kleines Team, das mehrheitlich aus Arbeitspsycholog*innen besteht, die auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz aus verschiedenen Beratungs- und Begleitungsprojekten zurückgreifen können. Aus heutiger Sicht ist es nicht ungewöhnlich, dass Psychologen bei der Entwicklung eines Steuerungssystems für das Management mitwirken. Weil Psychologen wissen, wie viel man bezahlen muss, damit jemand motiviert ist, zu arbeiten? 
 

Was machen Arbeitspsycholog*innen?

Die Arbeitspsychologie beschäftigt sich als Teildisziplin der Psychologie mit der Beschreibung, Analyse, Erklärung und Gestaltung menschlicher Arbeit und ihrer Organisation (nach Siegfried Greif). Als Arbeitspsycholog*in befindet man sich demnach stets in einem Spannungsfeld zwischen ökonomischen und humanen Zielen. Sei es bei der Erarbeitung von Strategien, Changemanagement Prozessen oder Lohnsystemen – es gilt die Perspektiven aller Beteiligten einzunehmen: Die Perspektive des Unternehmens, der Anspruchsgruppen als auch die Sichtweise der Mitarbeitenden. Der Einbezug dieser Perspektiven wird nach Möglichkeit ganzheitlich vorgenommen. Dies bedeutet, dass nicht nur die Frage nach dem monetären Output einer Arbeitsleistung gestellt wird, sondern neben diversen Betrachtungsebenen ebenfalls psychosoziale Aspekte, unterschiedliche Arten von Belastungen oder intellektuelle Voraussetzungen für die Ausübung der im Fokus stehenden Tätigkeiten berücksichtigt werden. Auf diese Weise entsteht eine vielseitige und breit abgestützte Bewertung einer Arbeitstätigkeit. Damit ein Lohnprojekt basierend auf diesen Bewertungen schlussendlich nachhaltig, gerecht und transparent gestaltet werden kann, bedarf es erstens der interdisziplinären Zusammenarbeit und zweitens der Konsensfindung aller Beteiligten. 


Raum für die Entwicklung von Mitarbeitenden und Unternehmen

Mit dem Menschenbild hat sich in vergangenen Dekaden nicht nur das Bild von Psychologen, sondern auch das Verständnis von Arbeit – zumindest in gewissen Branchen – gewandelt. Während der industriellen Revolution herrschte noch das Bild vom Menschen als eigennütziges Individuum vor, das sich der Kontrolle von aussen widersetzt. Im Gegensatz dazu erachtet man den Menschen heute vermehrt als aktiv lernendes Wesen, das nach persönlicher Entwicklung und Kompetenzerweiterung strebt. 

Das Mitwirken von Arbeitspsycholog*innen hat folglich nicht das Ziel, mithilfe der Kenntnis über das Unbewusste der Mitarbeitenden den für anhaltende Motivation nötigen Lohn zu definieren. Viel mehr ist der Grund für das Einsetzen von Arbeitspsycholog*innen das Einbeziehen von externen Experten, die das Fachwissen rund um die Themen Motivation, Lernen, persönlichkeits- und gesundheitsfördernden Massnahmen und Führung mitbringen. Mit einer systematischen, analytischen und nachvollziehbaren Methodik kann so eine Veränderung im Unternehmen begleitet werden. Indem vielfältige Erfahrung im Projektmanagement und der Begleitung von Veränderungsprozessen geteilt wird, kann ein Rahmen für Entwicklung geschaffen werden – für Menschen und Unternehmen. 

Im Rahmen des Praktikums am iafob und der intensiven Zusammenarbeit mit der OdA Sozialberufe Zürich wurde deutlich, dass das Berücksichtigen der sozialen Komponenten von gesellschaftlichen, politischen aber auch wirtschaftlichen Problemstellungen unumgänglich ist. Die Vermittlung der notwendigen Kompetenzen und das Trainieren einer systematischen, ganzheitlichen Herangehensweise sollte zu den Herausforderungen der Bildungsinstitutionen auf Sekundär- und Tertiärstufe gezählt werden können. Ein eindeutiger Bildungsauftrag mit dieser Stossrichtung ist zwar noch nicht Realität, wäre aber mit voranschreitender Zeit von zunehmender Relevanz und aus diesem Grund wünschenswert. 

 

Cédric Lüthi
Institut für Arbeitsforschung und 
Organisationsberatung (iafob) 
Obere Zäune 14
8001 Zürich

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www.iafob.ch


OdA Sozialberufe Zürich
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