Carte Blanche
Eine Reise durch zwei verbundene Welten: Gesundheit und Soziales
Autorin: Christel Johannsen, Leitung Bereich AGS, OdA Gesundheit Zürich und OdA Sozialberufe Zürich
Als Bildungsverantwortliche in der Praxis hat mich ein Zitat von Albert Einstein durch all die Jahre begleitet: «Ich unterrichte meine Schüler nie; ich versuche Bedingungen zu schaffen, unter denen sie lernen können.»
Kommen Sie mit mir auf eine kleine Reise durch ein Berufsleben im Gesundheitswesen, das vor über dreissig Jahren als "Krankenschwester" begann und über einige "Stationen" vor vier Monaten zur Aufgabe als Leiterin des Bereichs Assistent*in Gesundheit und Soziales EBA an der OdA Gesundheit und der OdA Sozialberufe Zürich führte.
Viele Veränderungen im Gesundheitswesen und in der Berufsbildung haben mein berufliches Leben geprägt. Als junge Frauen – und ganz vereinzelte Männer - kämpften wir in den 1980er Jahren gegen das Bild der dienenden "Schwester", gegen den Personalmangel (ja…schon damals), für eine ganzheitliche Pflege und es hat sich gelohnt. Heute ist aus der "Schwester" die*der Diplomierte Pflegefachfrau*Pflegefachmann HF/FH geworden, es gibt die Grundbildung die*den Fachfrau*Fachmann Gesundheit EFZ und im Beruf der Assistent*in Gesundheit und Soziales verbinden sich seit 2011 auch die beiden Bereiche der OdA Gesundheit und der OdA Soziales.
Parallel zur Entwicklung der Profession, sind die Ansprüche in der Pflege, wie in einer grossen Zahl anderer Berufe auch, stetig gewachsen. Menschen werden zunehmend älter und die Möglichkeiten der Medizin sind gross. Zahlreiche Krankheiten, die noch vor dreissig Jahren nicht behandelbar waren und zum Tod führten, lassen sich heute gut therapieren. Waren Patient*innen früher oft über mehrere Tage bis Wochen hospitalisiert, wird heute im Bereich der Chirurgie bereits vieles kurzstationär oder ambulant behandelt.
Es stellt sich aber immer häufiger die Frage, ob alles, was medizinisch möglich ist, auch für den einzelnen Menschen wünschenswert ist. Daraus ergeben sich ethische Dilemmata.
Bewohner*innen in Institutionen der Langzeitpflege und -betreuung treten heute meist mit mehreren schweren Diagnosen ein, was grosse Anforderungen an die Fachkompetenz stellt. Eine grosse Zahl an Heimbewohner*innen lebt mit einer fortschreitenden Demenz, fast alle stehen am Ende ihres Lebens und benötigen eine kompetente Betreuung auf physischer, psychischer, sozialer und spiritueller Ebene.
Mit diesem beruflichen Wandel konfrontiert, habe ich mich laufend in den Themen weitergebildet, die mir am Herzen lagen, sei es zum Thema Phytotherapie, Palliative Care oder eben im Bereich der Berufsbildung. So hat mich mein Weg vom Akutspital, wo Menschen aller Generationen anzutreffen sind, die eine begrenzte Zeit dort verbringen, zur Langzeit geführt, wo Senior*innen und hochaltrige Menschen im Vordergrund stehen, die in ihrer letzten Lebensphase auf Begleitung und Betreuung angewiesen sind. Damit rücken die Themen Lebensqualität und Interdisziplinarität stark in den Vordergrund.
Seit dreizehn Jahren liegt mein beruflicher Fokus auf der Ausbildung, sozusagen auf der Zukunft der Pflege. Auch hier haben sich die Ansprüche stark verändert und die Fähigkeit vernetzt zu Denken und Abläufe kritisch zu hinterfragen sind immens wichtig. Dazu braucht es mehr als Theoriewissen und praktische Handlungsfähigkeit und die Ausbildung in Schule und Praxis muss dem Rechnung tragen.
Als Bildungsverantwortliche in der Praxis hat mich ein Zitat von Albert Einstein durch all die Jahre begleitet:
«Ich unterrichte meine Schüler nie; ich versuche Bedingungen zu schaffen, unter denen sie lernen können.»
Die Frage, wie denn die Bedingungen in der Praxis aussehen müssten, hat mich lange stark beschäftigt und mit der Diplomarbeit in Ausbildungsmanagement an der ZHAW IAP konnte ich dem intensiv nachgehen. Aus meinen Erkenntnissen möchte ich drei Grundsatzgedanken hier teilen:
Lernen passiert nicht von alleine, es muss aktiv, systematisch und nachhaltig begleitet werden, damit sich Lernerfolg einstellt. Wenn Lernen und Weiterentwicklung für alle Mitarbeiter*innen ein Teil des Alltags sind, wird Lernen auch für die Auszubildenden zur Selbstverständlichkeit.
Ist das Arbeitsklima von gegenseitigem Vertrauen geprägt, werden Fragen gestellt, Beobachtungen und unterschiedliche Meinungen diskutiert und Fehler als Lernchance wahrgenommen.
Hohe Leistungsstandards regen zur Weiterentwicklung der Teammitglieder an und unterstützen so den Erfolg von Aus- und Weiterbildungsmassnahmen.
Während meiner Tätigkeit als Bildungsverantwortliche habe ich versucht, diese Grundsätze zu beherzigen, immer mit dem Wissen, dass Bildung ein Teil des grossen Ganzen ist und nur gemeinsam mit allen Mitarbeiter*innen, von Führung bis Team erfolgreich umgesetzt werden kann.
Um einen Bogen zu spannenzu meiner jetzigen Tätigkeit, müssen wir einen Schritt zurück zu den zwei wichtigen Themen der Langzeitpflege und -betreuung, welche ich früher schon erwähnte: Interdisziplinarität und Lebensqualität. Die Pflege ist anspruchsvoll geworden, das Wissen über Pflegephänomene, Zusammenhänge zwischen Symptomen, Diagnosen und Medikamenten ist unabdingbar, um die Lebensqualität zu verbessern, unnötige Spitaleintritte zu verhindern. Ebenso wichtig ist aber auch das Umfeld und wie hochaltrige Menschen den Tag verbringen, wenn keine Pflege ansteht – das sind oft viele Stunden. Dazu braucht es alle anderen Berufsgruppen: Hauswirtschaft und Hotellerie, Köche, Diplomierte Aktivierungsfachpersonen, Fachfrauen*Fachmänner Betreuung (FaBe), Seelsorge, Physiotherapie, Ergotherapie und viele mehr.
Hier berühren sich die Gesundheits- und die Sozialberufe stark. Gerade die Fachfrauen*Fachmänner Gesundheit (FaGe) und die Fachfrauen*Fachmänner Betreuung (FaBe) gehen in der Praxis sehr ähnlichen, wenn nicht gleichen Aufgaben nach, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. Während die Einen den Fokus auf der Gesundheit haben, liegt er bei den anderen auf der Betreuung und auch wenn eine FaBe pflegerische und therapeutische Massnahmen übernimmt, ist ihr Wissen dort weniger vertieft, als das der FaGe. Umgekehrt übernimmt auch eine FaGe beispielsweise Gruppenaktivierungen, hat dazu aber weniger Hintergrundwissen als eine FaBe. Zwei Berufe, die sich perfekt ergänzen und bereichern können im Team.
Ich freue mich sehr, dass ich heute für den Bereich der Assistent*innen Gesundheit und Soziales (AGS) verantwortlich bin an den beiden OdAs des Kantons Zürich. Nach der Praxis bedeutet dies für mich nochmal einen Perspektivenwechsel, den ich als sehr bereichernd empfinde.
Der Beruf AGS, welcher gerade das 10-jährige Jubiläum feiert, ist als zweijährige Ausbildung eine gute Grundlage, um in verschiedenen Bereichen im Sozial- und Gesundheitswesen zu arbeiten, da während der Ausbildung Basiswissen in Pflege- und Betreuungsthemen vermittelt wird. Ausserdem bietet sie Perspektiven, um sich weiterzuentwickeln in den beiden Bereichen, sei es als FaGe oder FaBe und danach ist sogar eine Ausbildung an einer höheren Fachschule möglich. Gerade für Jugendliche, die eine schwierige Schulzeit hatten oder Menschen mit Migrationshintergrund, welche die Sprache noch vertiefen und unser Schulsystem kennenlernen müssen, kann die AGS-Ausbildung ein idealer Einstieg ins Berufsleben sein.
An meiner jetzigen Aufgabe schätze ich die vielfältigen Aufgaben, den Kontakt mit den Gruppen in den überbetrieblichen Kursen, welche oft sehr heterogen sind in der Zusammensetzung, die Zusammenarbeit mit dem Instruktor*innen Team und besonders auch den Kontakt mit der Praxis, die einen massgeblichen Anteil an der Ausbildung hat.
Für die Zukunft des Berufs AGS wünsche ich mir, dass er weiterhin in den unterschiedlichen Fachbereichen ausgebildet wird, die beiden Anteile Gesundheit und Soziales gleichermassen Beachtung finden und die spezifischen Kompetenzen gestärkt und gezielt eingesetzt werden.
Unsere kleine Reise endet vorläufig hier, mein Berufsleben natürlich nicht – ich bin sehr gespannt, welche Veränderungen ich in den nächsten Jahren noch miterleben darf und mache meinen Job so, wie ich ihn immer machen wollte – mit Freude und Engagement, denn etwas anderes kommt für mich nicht in Frage.
OdA Sozialberufe Zürich
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