Carte Blanche 

Chancen der vierjährigen Berufsmittelschule nutzen

Autorin: Caroline Mathis

Lange ist es her, seit ich meine eigene Ausbildung, damals noch mit dem Berufstitel Kleinkinderzieherin, abgeschlossen habe. Die Reaktionen in meinem Umfeld auf meine Berufswahl waren unterschiedlich. Doch die Entwertung, dass ich einen Beruf ohne Aufstiegschancen und höhere Bildungsmöglichkeiten gewählt habe, verunsicherte mich sehr und stimmte mich traurig. Heute, rund 20 Jahre später, habe ich meinen Weg gemacht. Es war ein Weg auf Umwegen, aber mein ganz persönlicher Weg. Diese Erfahrungen prägen mich in meinem Berufsalltag in der Kindertagesstätte (KiTa) in der Rolle der Leitung sowie Berufsbildnerin, als Kursleiterin für Überbetriebliche Kurse bei der OdA Sozialberufe Zürich, Prüfungsexpertin, Supervisorin, Mutter und Mensch. Ich habe die Haltung entwickelt, dass die Berufswahl für junge Erwachsene enorm herausfordernd ist. Dabei ist eine sorgfältige Aufklärung über die Möglichkeiten genauso wichtig wie der eigene Wille der Bewerbenden.

Gemeinsam den passenden Ausbildungsweg finden
Aus dieser Haltung heraus, geht es bei der komplexen Personalgewinnung nicht nur darum, eine*n passende Kandidat*in zu finden, sondern auch den richtigen Ausbildungsweg gemeinsam zu entdecken. Daher bespreche und erkläre ich beim Bewerbungsgespräch die verschiedenen Möglichkeiten des FaBe-Berufspfades eingehend. Neu gehört dazu das Berichten über die 4-jährige BM1 Flex. Die Berufsmaturität öffnet jungen Erwachsenen zusätzliche Berufsperspektiven. Neben dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) erhalten sie durch die Berufsmatura den Zugang zu Fachhochschulen.
Kommt es zu einem Lehrvertragsabschluss, lade ich die Eltern des in der Regel noch nicht volljährigen neuen Teammitgliedes ein, um über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten ausführlich zu sprechen. Dies mit dem Ziel, dass die Eltern sowie wir als Lehrbetrieb die angehende Lernende oder den angehenden Lernenden bei der eigenen Vorstellung unterstützen.

Geglückter Versuch
Seit Sommer 2019 bildet unsere KiTa eine Lernende praktisch aus, welche die 4-jährige BM1 besucht. Sie gehört zum ersten Klassenzug, was uns sehr erfreut. Unsere Lernende hat sich selbständig dazu entschieden. Bereits im Bewerbungsgespräch äusserte sie zielstrebig diesen Wunsch. Sie war ganz überrascht, dass ihre Ziele unterstützt werden, denn sie hatte bisher andere Erfahrungen gemacht und auch anderes gehört. An ihre Worte und Motivation kann ich mich noch gut erinnern. Sie meinte, dass sie eine gute Schülerin sei und es daher schade wäre, wenn sie keine Berufsmatura machen würde. Sie habe aber von der Sekundarschule und dem vielen Lernen etwas genug und möchte sich Zeit für den praktischen Ausbildungsteil gönnen. Sie war so überzeugt, dass ich ihre Absicht nicht infrage stellte und wir uns gemeinsam auf diese Chance einliessen. Bereut habe ich die Entscheidung nie!

Mehr Zeit zum Lernen
Meine Lernende Leila Streit ist bis heute zufrieden mit ihrer Entscheidung. «Mit diesem Modell habe ich für die BMS und vor allem auch für die praktische Ausbildung mehr Zeit. Am meisten freut mich aber, dass ich die Lehrabschlussprüfung und die Maturität nicht im selben Jahr habe.»
Jeder Lehrbetrieb hat die Aufgabe, attraktive Lehrplätze zu schaffen, um qualifizierte Fachkräfte auszubilden. Daher werde ich auch in Zukunft neue Lernende mitbestimmen lassen, ob sie die 3-jährige Ausbildung FaBe Kinderbetreuung (EFZ), die 3-jährige BM1, oder die 4-jährige BM1 absolvieren möchten. Alle drei Modelle haben Vorteile für Lernende und die Betriebe.

Vorteile für den Betrieb
Ein wesentlicher Gewinn der 4-jährigen BM1 für die Betriebe ist, dass durch dieses Modell die Lernenden im 2. und 3. Lehrjahr einen halben Tag mehr im Betrieb sind als bei der «normalen» BM1. Also 40 Tage mehr, um Berufspraxis zu sammeln. Die Aussicht, dass eine Person nach den drei Jahren mit Abschluss der beruflichen Grundbildung noch für ein viertes BM-Jahr im Betrieb sein kann, ist erfreulich, aber nicht Bedingung. Die*der Absolvent*in kann in einem Betrieb der eigenen Wahl mit einem Pensum von 60 bis 80 Prozent arbeiten. Das Modell bietet eine Alternative zur BM2, welche nach dem EFZ Abschluss noch zwei Jahre im Teilzeit- oder ein Jahr im Vollzeitstudium dauert. Grundsätzlich für die BM1 spricht, dass diese Lernenden erfahrungsgemäss einfacher schriftliche Aufträge ausführen, zuverlässiger sowie strukturiert sind und der Aufwand der Praxisanleitung weniger oder gleich hoch ist, wie bei der 3-jährigen FaBe-Ausbildung. Die Tatsache, dass eine Person von sich aus einen Berufsweg wählt und dieser vom Umfeld mitgetragen wird, ist während der gesamten Ausbildungszeit positiv spürbar. Der Grundstein für eine gelingende Arbeitsbeziehung sowie einen erfolgreichen Abschluss ist gelegt.

Mehrere BM-Lernende erfordern planerisches Geschick
Eine Herausforderung für Betriebe ist, wenn mehrere Lernende die BMS besuchen, da die Schultage jeweils dienstags und mittwochs sind. Dies ist sehr schwierig für die Personalplanung und nicht optimal. Der Lehrvertrag sollte trotzdem nicht von diesem Kriterium abhängig sein. Ein guter Betrieb arbeitet nicht nur professionell in der Pädagogischen-, Team- oder Elternarbeit, sondern ist auch ein Lehrbetrieb mit individuellem Ausbildungsangebot. So können qualifizierte Berufsleute sichergestellt werden und der wertvolle Beruf FaBe erhält die nötige sowie gerechtfertigte Anerkennung.

Die verschiedenen Berufswege sind nicht besser oder schlechter. Alle meine drei Lernenden in den verschiedenen drei Ausbildungsmodellen schätze ich ausserordentlich. Die 4-jährige BM1 bringt lediglich die Chance mit sich, dass es einen weiteren, wichtigen Weg gibt, damit der vielseitige Beruf FaBe auf einem individuellen Weg absolviert werden kann.   

            


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